Kommst du mit? Ich lauf weg!

Zu Grundschulzeiten (lang, lang ist’s her) haben wir in Sport immer so ein Spiel gespielt, das „Komm mit – lauf weg!“ hieß. An die Regeln kann ich mich natürlich NICHT mehr erinnern, aber die Worte sind mir seltsamerweise im Gedächtnis geblieben. Bleiben oder gehen? Ständig
stellt man sich diese Frage. Morgens in der Schule. (Mittags und nachmittags übrigens auch). Bei sinnlosen Gesprächen. Nach dem Abschluss. Kurz vor dem Eintritt in die Rente. Unser Leben ist gekennzeichnet von Entscheidungen, und viele dieser Entscheidungen
sind von großer Wichtigkeit für uns, unser Umfeld, unser ganzes Sein.
Und das ist auch gut so, denn, wie Dumbledore es formulierte: Es sind nicht unsere Fähigkeiten, die uns zu dem machen, was wir sind, sondern unsere Entscheidungen. Aber stellt euch vor, ihr würdet in einem Land leben, in dem die Frage „Bleiben oder gehen?“ noch eine ganz andere Ebene erreicht. In einem Land, in dem es keine Zukunft für euch gibt, wenn ihr bleibt, aber die Zukunft, wenn ihr geht, ebenfalls ungewiss ist. Wenn Bleiben oder Gehen damit verbunden ist, seine Perspektiven aufzugeben oder alles
hinter sich zu lassen – inklusive Familie und Freunde. Noch heute gibt es ziemlich viele Länder, auf die das zutrifft, aber all das scheint so weit entfernt von uns zu sein, dabei brauchen wir die Zeit gar nicht so weit zurückzudrehen – nur um 30 Jahre – und schon befinden
wir uns selbst in einer Diktatur, in der sich viele Menschen diese Frage stellen mussten. So auch Hanna und Andreas in „Jenseits der blauen Grenze“ von Dorit Linke:

Die DDR im August 1989: Hanna und Andreas sind ins Visier der Staatsmacht geraten und müssen ihre Zukunftspläne von Studium und Wunschberuf aufgeben. Stattdessen sehen sie sich Willkür, Misstrauen und Repressalien ausgesetzt. Ihre einzige Chance auf ein
selbstbestimmtes Leben liegt in der Flucht über die Ostsee. Fünfzig Kilometer Wasser trennen sie von der Freiheit – und nur ein dünnes Seil, das ihre Handgelenke verbindet, rettet sie vor der absoluten
Einsamkeit…
Nach „Sofies Welt“ stelle ich euch mit diesem Werk ein weiteres Lieblingsbuch vor. „Jenseits der blauen Grenze“ schildert nicht nur die Fluchtgeschichte der beiden Jugendlichen, sondern erzählt auch sehr viel über das Leben in der DDR. In Rückblenden erfährt der Leser
die komplette Geschichte, die sich seit der Einschulung über zunehmende Bewusstwerdung bis zum Auflehnen gegen den Staat und der Entscheidung zur Flucht ereignet hat.
Bei diesen Schilderungen spart Dorit Linke nicht an Humor, und zeigt, dass die DDR trotz aller Unterdrückung und Ungerechtigkeit ihre – wenn man auch wahrheitsgemäß hinzufügen muss wenige – positiven Seiten
hatte. Besonders Jens, der dritte im Bunde, hat mich zum BRÜLLEN vor Lachen gebracht.
Dorit Linke, geboren 1971 in Rostock, weiß, wovon sie schreibt – sie wuchs selbst in der DDR auf und war 18 Jahre alt, als die Mauer fiel. Den politischen Wandel in den 1980er Jahren erlebte sie bewusst mit. All das verleiht dem Roman die notwendige Authentizität.
Die Beschreibung der Flucht ist großartig gelungen, im Gegensatz zu anderen fiktiven Fluchtgeschichten wird hier sehr aufs Detail geachtet, was dem Buch sehr gutgetan hat.
„Jenseits der blauen Grenze“ hat mich nach einmaligem Lesen komplett in seinen Bann gezogen, und DAFÜR muss das Buch schon echt gut sein!
Außerdem bietet es nicht nur Unterhaltung in Form einer fiktiven Erzählung. Zwar gab es Hanna und Andreas und die ganzen anderen Figuren so nicht, aber ähnliche Geschichten haben sich über 40 Jahre
DDR monatlich ereignet und sind es wert, gehört und beachtet zu werden!
Nur, wenn wir aus der Geschichte lernen, indem wir uns mit ihr auseinandersetzen, können wir Positives in unserer Gesellschaft bewirken.
Der Roman eignet sich sehr gut als „Einstieg“ ins Thema – besonders für Kinder und Jugendliche!  
Zum Schluss noch die Meinung von Karen
Duve zu diesem Buch:
„Ergreifend wird hier das Bild einer sozialistischen Jugend zwischen Aufmümpfigkeit und Resignation, Leistungssport und politischer Agitation gezeichnet.“
HIER der Link zum Roman. 
Einen schönen MITTWOCH! 
Weronika 

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